Damals wie heute: Faschismus bekämpfen! Antifa-Demo in Gedenken an Erich Mühsam

Antifaschistische Demonstration am 15. Juli in Oranienburg in Gedenken an Erich Mühsam
Am 10. Juli wurde der Schriftsteller Erich Mühsam im ersten Konzentrationslager in Oranienburg von SS-Wachmännern ermordet. Mit einer Gedenkdemonstration durch Oranienburg wollen wir an Mühsam als Menschen und an sein vielseitiges Wirken als Antifaschist, Anarchist und Freigeist erinnern. Um eine Brücke in die heutige Zeit zu schlagen wollen wir lokale Neonazi-Aktivitäten aufdecken, denn Anlass ist genug für eine befreite Gesellschaft ohne Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und weiterer menschenverachtender Ideologien auf die Straße zu gehen. Erich Mühsams wirken soll nicht vergessen sein – der Kampf geht weiter!


“Zweck meiner Kunst ist der gleiche, dem mein Leben gilt: Kampf! Revolution! Gleichheit! Freiheit!”

Revolutionär, Utopist, Freidenker, Anarchist, Antifaschist, Syndikalist. Erich Mühsam war Vieles. Sein Engagement für politische Gefangene, sein Einsatz gegen Militarismus und der revolutionäre Kampf für Freiheit und Gleichheit machte ihn einerseits zu einer bedeutenden widerständigen Figur seiner Zeit. Andererseits wurde Mühsam wegen seines politischen Einfluss zum gefürchteten Staatsfeind. Als Sohn eines jüdischen Apothekers, linker Intellektueller und Anarchist war er den Nazis schon vor ihrer Machtergreifung ein Dorn im Auge. Am 28. Februar 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, wurde Erich Mühsam als „politisch verdächtige Person“ verhaftet und in das Konzentrationslager Oranienburg inhaftiert. Am 10. Juli 1934 verkündete die nationalsozialistische Presse, dass Mühsam den Freitod gewählt und sich erhangen habe. Doch ein Suizid kam für ihn nicht in Frage: „Niemals werde er sich selbst töten“, hatte Erich Mühsam einem Mithäftling anvertraut. Er wurde im Zimmer des Lagerkommandanten ermordet und gilt als eines der ersten Opfer des NS-Terrorregimes. Auch nach 17 Monaten Folter gelang es den Nazis bis zuletzt nicht, seinen Willen zu brechen. Den Kampf gegen den Nationalsozialismus hatte er nie aufgegeben – sein Vermächtnis wollen wir weiterhin in unseren Herzen tragen.


Seit geraumer Zeit brodelt es in Oranienburg und Umgebung!

Oranienburg besitzt über Jahre hinweg eine starke, organisierte Neonazi-Szene. Federführend dabei ist die lokale NPD-Struktur mit dem Kreisverband Oberhavel, der als einer der aktivsten Verbände des Landes gilt. Obwohl bundesweit als „tot-gesagt“ besitzt die NPD in Oberhavel mit neun Sitzen in den Stadt- und Gemeindevertretungen die höchste kommunale Verankerung. Dies macht sich nicht nur in den Parlamenten bemerkbar. Gezielt reihen sich NPD-AktivistInnen in die lokalen Vereine ein, mit dem Ziel, eine breiten gesellschaftlichen Akzeptanz für ihre völkisch-nationalistische Ideologie von unten zu etablieren. So verwundert es nicht, dass die NPD es geschafft hat sich unbemerkt unter den Tarnnamen „Projekt Habula – Furor Teutonicus“ auf das örtliche Stadtfest Mitte Juni dieses Jahres zu schleichen und als Mannschaft an dem Drachenbootrennen teilzunehmen. In Hinblick auf die Bundestags- und Bürgermeisterwahlen im September 2017 hatte die Tourismus und Kultur GMBH Oranienburg (TKO) erstmals das Verbot politischer Parteien auf dem Fest verhängt. In einem Statement gegenüber der Presse sah man den Antritt der NPD bei dem Drachenbootrennen ohne Sorge. Denn die Partei hatte es verzichtet mit politischen Inhalten auf dem Fest aufzutreten. (1 & 2). Doch die bloße Präsenz der Mannschaft und ihrer Besatzung ist bereits ein Politikum. Denn in dem Boot befanden sich nicht nur NPD-Politiker wie der Veltener Stadtverordnete Robert Wolinski, sondern auch weitere Neonazi-Aktivisten der Rechtsaußenpartei, sowie ihrer Jugendorganisation, der Jungen Nationaldemokraten (JN). Auch der Name der Mannschaft verrät eindeutig die Gesinnung der Insassen. „Furor Teutonicus“ bedeutet aus dem römischen „Germanische Angriffslust“ und war das Motto eines RechtsRock-Konzerts der „Märkischen Skinheads 88“ (MS88) in März. Bei den MS88 handelt es sich um ein RechtsRock-Veranstaltungslabel, bei den Wolinski eine Schlüsselfigur darstellt. Die MS88 organisieren bundesweit RechtsRock-Konzerte mit namhaften Bands, die nicht nur Verbindungen zu den in der Bundesrepublik verbotenen „Blood&Honour“-Strukturen und Rocker-ähnlich organisierten „Hammerskins“ aufweisen, sondern auch dem NSU-Umfeld zugerechnet werden. (3)

Erinnern heißt Kämpfen!

Heute, 83 Jahre nach seiner Ermordung, droht Erich Mühsams Wirken in Vergessenheit zu geraten. Auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei, auf dem das erste Konzentrationslager in Oranienburg entstand, steht eine Lidl-Filiale. Nur die Außenmauer des Geländes und eine Gedenkstein erinnern an den Ort, an dem nicht nur Erich Mühsam brutal aus dem Leben gerissen wurden. Die Verbrechen der Nazis sind Geschichte? Manch ein/e wünsche sich den Schlussstrich, eine Vergessen oder ein Verzeihen. Doch solange rechtspopulistische und extrem rechte Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) immer größeren Zuspruch ernten, solange Flüchtlingsheime brennen und die Zahl rassistischer und antisemitischer Übergriffe in die Höhe implodiert, solange der NSU mithilfe Umfeld unter den Augen des Verfassungsschutzes und anderer Behörden jahrelang scheinbar „unbemerkt“ durch das Land ziehen konnte und zehn Menschen ermordete, gibt es Nichts zu vergessen und Nichts zu verzeihen!

Wir rufen auf am 15. Juli in Oranienburg auf die Straße zu gehen um das Vermächtnis von Erich Mühsam in die Köpfe zu tragen. Die gegenwärtige Situation macht es uns deutlich, dass der Kampf gegen den Faschismus heute so notwendig ist wie eh und je. Gesellschaftliche Verhältnisse zu benennen, neonazistische Zusammenhänge zu beleuchten und eine antifaschistische Widerstandskultur zu etablieren ist unser Ziel.

Denn Erinnern heißt für uns auch kämpfen – daher: damals wie heute, Faschismus bekämpfen!

Antifaschistische Gedenkdemonstration:
15. Juli 2017 | 13 Uhr | S-Bhf. Oranienburg

Gemeinsame Anreise aus Berlin:
12:00 S Gesundbrunnen | Gleis 4 | Abfahrt 12:19

Kontakt:
antifaoranienburg@riseup.net

Einzelnachweise:
(1) http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Gewaltandrohung-und-geloescht…
(2) http://www.moz.de/landkreise/oberhavel/oranienburg/oranienburg-artikel/d…
(3) https://www.inforiot.de/ms88-will-konzert-in-mitteldeutschland-veranstal…