Kein Raum der AfD – Auftakt

Am Samstag (1. April) ruft die Kampagne „Kein Raum der AfD“ zu einer antifaschistischen Demo in Weißensee (15 Uhr Antonplatz) auf.
Dies ist die Auftaktveranstaltung der Kampagne, welche sich gegen die AfD und Lokalitäten richtet, aber auch gegen Rechte Hetze im Großraum Pankow und Berlin.

Aufruf:
Kein Raum der AfD!
Kein Raum für rechte Hetze!

Antifaschistische Demonstration:
1. April 2017 | 15.00 Uhr | Antonplatz Weißensee

Deutschland 2017: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass Rassist*innen durch die Straßen der Republik marschieren und Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte verübt werden. Die Zahl der Anschläge hat sich seit 2014 mehr als vervierfacht (ca. 200 im Jahr 2014, ca. 1000 im Jahr 2016). Mit der AfD sitzt derzeit eine neurechte Partei in zehn Landesparlamenten, die 2017 auf den Einzug in den Bundestag schielt. Während ihre Anhänger*innenschaft sich im Internet ungeniert Fantasien von »Erschießen« und »Wegsperren« hingibt, erhält die Partei weder in ihrem Alltag noch in ihrem städtischen Umfeld Widerspruch gegenüber ihrer rechten Hetze. Damit muss Schluss sein! Wir wollen die Aktivitäten der AfD in unseren Vierteln benennen. Darum rufen wir am 1. April zu einer gemeinsamen Demonstration gegen die Treffpunkte und Läden der AfD in Berlin-Weißensee auf. Wir wollen die regelmäßigen AfD-Veranstaltungen und Parteitage im Restaurant »Zum Nudelholz« thematisieren und fordern einen Rausschmiss der AfD. Gleichzeitig wollen wir die Häufung rechter Übergriffe und die von Neonazis betriebenen Läden im Kiez sichtbar machen.

AfD-Treffpunkte »Großbezirk Pankow«

Im Berliner Nordosten kann die AfD auf mehrere Räumlichkeiten zugreifen, die der lokale Kreisverband für Treffen und Veranstaltungen nutzt. Als zwei der wichtigsten Orte sind der »Heinersdorfer Krug« (Romain-Rolland-Straße 68, 13089) und das Weißenseer Lokal »Zum Nudelholz« (Falkenberger Str. 37, 13088 Berlin) zu nennen. Das »Nudelholz« dient der AfD häufig als Veranstaltungslocation. Das Restaurant beherbergte unter anderem einen Vortragsabend mit dem AfD-Landesvorsitzenden Georg Pazderski am 16. August 2016 und den Bezirksparteitag der Pankower AfD am 28. Juli 2016, zu dem Beatrix von Storch als »Stargast« geladen war. Die AfD-Europaabgeordnete erlangte durch ihre Forderung, Geflüchtete an den Außengrenzen Europas erschießen zu lassen, traurige Berühmtheit. Mit dem Ausrichten rechter Veranstaltungen unterstützt der Inhaber Steffen Ulm aktiv die Verbreitung der rückwärtsgewandten Weltanschauung der AfD, mit der er ganz offen zu sympathisieren scheint. Als 2010 in einem Wohnblock in der Falkenberger Straße Migrant*innen untergebracht wurden, tat er sich als Hauptorganisator einer Initiative hervor, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den zügigen Auszug der Migrant*innen zu bewirken. Er verteilte Flyer, initiierte eine Unterschriftensammlung und lud zu einer Versammlungen im September 2011 ein, mit dem Ziel, die neuen Nachbar*innen los zu werden. Exemplarisch dafür steht der Vorschlag von Ulms »Interessengemeinschaft Falkenberger Straße«, die Geflüchteten doch lieber in einer Hohenschönhausener Plattenbauruinie, ohne Fenster, Strom und Wasser unterbringen zu lassen. Bei der Versammlung am 5. September 2011 im Nudelholz gaben sich Gäste als Teilnehmer*innen der Heinersdorfer Anti-Moschee-Proteste zu erkennen und forderten »es so zu machen wie damals«. Mit »damals« bezogen sie sich auf die Aufmärsche gegen einen Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde in Heinersdorf. An den von der rassistischen Bürgerinitiative IPAHB (Initiative Pankow Heinersdorfer Bürger) organisierten Demos beteiligten sich bis zu 3000 Menschen. Dabei gilt die »Ahmadiyya Muslim Jamaat« als liberal und wird in ihrem Herkunftsland Pakistan von islamistischen Gruppen verfolgt. Das Restaurant »Heinersdorfer Krug« diente damals als regelmäßiger Treffpunkt der IPAHB. Ab 2010 beherbergte das Lokal Zusammenkünfte der extrem rechten Partei »Die Freiheit«. Eben diese Partei lud sich Steffen Ulm im übrigen zu seiner Anwohnerversammlung als Podiumsgast. In dieser Tradition steht der »Heinersdorfer Krug« bis heute. Seit mittlerweile vier Jahren stellt dessen Besitzer Uwe Schönfeld der AfD Pankow seine Gaststätte als Tagungsort zur Verfügung. Alle zwei Wochen schließen die Betreiber*innen der AfD den Laden einzig für deren Bezirkstreffen auf. Der Charakter einer »geschlossene Veranstaltung« unterstreicht den Exklusivcharakter der Vermietung an die AfD zusätzlich. Heimliche Sympathisant*innen scheint die AfD Pankow auch auf Leitungsebene des Pankower Seniorenheims »Residenz Domnizil« (Pestalozzistraße 30) zu haben. Hier hielt die AfD Pankow ihr Ortsverbandsgründungstreffen am 20. Juni 2013 und ihren Bezirksparteitag am 22. Oktober 2015 ab. Kein AfD-Treffpunkt, dafür aber eine private Einnahmequelle ist die Zahnarztpraxis von Marius Radtke in der Pistoriusstraße 8 in Weißensee. Radtke war in den 90ern Mitglied im »Bund Freier Bürger« (BFB) und demonstrierte mit Horst Mahler gegen das Holocaust Mahnmal in Mitte. Für die Lichtenberger AfD, einen der radikaleren Kreisverbände der Stadt, sitzt er heute in der BVV und kandidiert als Direktkandidat für den Bundestag.

Rechte Infrastruktur in Weißensee

Die Treffpunkte der AfD sind jedoch bei weitem nicht die einzige rechte Infrastruktur in Weißensee. Seit seiner Eröffnung im Oktober 2011 ist der »Thor Steinar«-Laden »Tønsberg« (Berliner Allee 11, 13086 Berlin) eine feste Adresse für rechtes Modeshopping im Osten der Stadt. Durch die Verwendung verschiedener Runen aus der nordischen Mythologie und abgewandelte Symbole des Nationalsozialismus, dient »Thor Steinar« rechtsoffenen Menschen und Neonazis als gegenseitiges Erkennungsmerkmal. Träger*innen der Marke sind so gut wie auf jedem Neonaziaufmarsch in der Republik anzutreffen. Das Logo des Labels wird von Gruppen wie der Identitas Nord (Identitäre Bewegung) in Abwandlung als Gruppenlogo verwendet. All dies spricht für die Popularität von »Thor Steinar« in der rechten Alltags- und Jugendkultur. Die Verbindungen zwischen den Herstellern der Kleidung und neonazistischen Gruppen und Kameradschaften sind schon häufig belegt worden. Das Tragen der Marke steht in zahlreichen Fußballstadien, diversen Landtagen und dem Bundestag unter Strafe.
Sollten Neonazis juristischen Beistand benötigen, bekommen sie diesen nicht weit vom »Tønsberg«-Shop, in der Kanzlei des Neonazianwalts Wolfram Nahrath (Bizetsraße 24, 13088 Berlin). Nahrath entstammt einer Familie, die in einer langen nationalsozialistischen Tradition steht. Sein Vater Wolfgang Nahrath war Mitbegründer der 1994 verbotenen »Wiking Jugend« und übertrug im Jahr 1991 seine Bundesführerschaft auf seinen Sohn. Die »Wiking Jugend«, sowie deren Nachfolgeorganisation »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ) standen in Tradition der nationalsozialistischen »Hitler Jugend« (HJ). Wolfram Nahrath verteidigte viele bundesweit bekannte Neonazis, was ihm den Ruf eines zuverlässigen Szeneanwalts einbrachte. Als der 28jährige Algerier Farid Gouendoul 1999 bei einer rassistischen Hetzjagd im brandenburgischen Guben ums Leben kam, verteidigte Nahrath einen der Haupttäter. Im Jahr 2009 vertrat er den bekannten Bischof Richard Williamson, der sich als Mitglied der Piusbruderschaft wegen Holocaustleugnung verantworten musste. Seit 2013 verteidigt er außerdem den NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der im Verdacht steht, die NSU-Terrorist*innen mit Waffen versorgt zu haben. Bundesweites Aufsehen erregte darüber hinaus auch der Prozess des Brandenburger NPD-Politikers Marcel Zech, der wegen eines widerwärtigen Tattoos des Konzentrationslagers Buchenwald, welches die Opfer des Holocaust verunglimpft, von Nahrath verteidigt wurde. Als aktuelles Beispiel seiner lokalen Tätigkeit sei die Verteidigung des Pankower NPD-Vorsitzenden Christian Schmidt genannt, der im November 2016 wegen Freiheitsberaubung und Nötigung vor Gericht stand.

Herrschende Politik oder Faschos? – beides keine Alternative.

Die kalkulierten AfD-Provokationen, so wie eine vollkommen enthemmte Debatte über die sogenannte »innere Sicherheit«, die so geführt wird, als stünde der Islamische Staat bereits an der deutschen Grenze, erweisen sich als lukratives Geschäft und sorgen für gute Wahlergebnisse. So verkauft die AfD-nahe rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« mittlerweile 28.000 Exemplare und konnte 2015 eine Auflagensteigerung von fast 40 Prozent verzeichnen. Als Beispiel seien außerdem die letztjährigen Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt genannt, wo die AfD mit 24,3% zur zweitstärksten Kraft gewählt wurde. Mit 14,2% bekam die AfD das höchste Wahlergebnis, dass eine rechte Partei in Berlin bisher erzielen konnte. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die völkisch-nationalistische AfD auch in diesem Jahr mit guten Ergebnissen in den Bundestag einzieht. Das ist ein Symptom für die weite Verbreitung rechten Gedankenguts innerhalb der Gesellschaft, die sich jetzt auch in organisierter Form auf der Straße, im Netz und im Parlament widerspiegelt. Der neuen Rechten gelingt es zunehmend, sich als Opposition zur Regierung in Szene zu setzen. Wenn tausende Neonazis und Bürger*innen unter der Losung »Merkel muss weg« durchs Berliner Stadtzentrum demonstrieren, erschöpft sich ihre Kritik allerdings darin, dass die Regierung Geflüchtete nicht schnell genug abschieben würde. Dabei wurde Afghanistan erst kürzlich zum vermeintlich sicheren Drittstaat erklärt, obwohl sich selbst der deutsche Außenminister zur Truppenvisite nur mit Helm und Schutzweste dorthin traut. Da die von den Rechten so vehement geforderten Abschiebungen ohnehin schon eine Kernkompetenz der deutschen Regierung darstellen, zeigt sich, dass all dies nichts mit »Anti-Establishment« zu tun hat – und schon gar nichts mit der Idee einer gerechteren oder besseren Welt. Für höhere Löhne und soziale Rechte zu demonstrieren oder für eine Welt ohne Ausbeutung, Diskriminierung und Leistungszwang, das wäre mutig. Egal, was die Faschist*innen behaupten, sie stehen nicht in Gegnerschaft zum Zeitgeist, sondern verkörpern ihn mit all seiner Unmenschlichkeit und Konkurrenz. Die Forderung einer »besseren Welt« kann uns Halt geben, nicht an der Ungerechtigkeit zu verzweifeln, die wir Tag für Tag beobachten. Jede*r hat das Anrecht auf ein Leben in Würde – auf ein Leben, in dem niemand von der Hand in den Mund lebt oder so viel arbeiten muss, dass kaum noch Zeit für Freund*innen und Familie bleibt. Wir wollen dazu keine Romane schreiben. Machen wir es kurz: Soziale Ausgrenzung, Rassismus und Sexismus, in welcher Form auch immer, trennen uns als Menschen. Wem nützt dieses Konkurrenzdenken überhaupt, wenn nicht Politik und Wirtschaft? Unsere Kieze sind ein Spiegelbild dessen – so auch Weißensee. Nahezu jede verbliebene Brache wurde in den letzten sechs Jahren mit Eigentumswohnungen zugebaut und die Mieten steigen. Und die, die wenig haben, hauen sich gegenseitig auf’s Maul. Angriffe hier treffen nicht selten Geflüchtete und migrantische Anwohner*innen. Langhansstraße, Antonplatz, Buschallee oder Sulzfelder Straße – wer hier mit offenen Augen durch den Kiez geht oder Straßenbahn fährt, wird das bestätigen können. Auch wenn es in Weißensee viele sozial engagierte Menschen gibt, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl an Leuten, die mit dem menschenverachtenden Weltbild der AfD sympathisieren, gegen geflüchtete Menschen hetzen, sexistische Rollenbilder vertreten und eine Poltik der Verachtung gegenüber sozial schwächerer Menschen gutheißen. Dabei ist ein solidarisches Miteinander möglich, wenn wir uns zusammentun. Fangen wir mit den Neonazis und der AfD in unseren Kiezen an, machen wir mit dem Widerstand gegen hohe Mieten und Sozialabbau weiter. Kämpfen wir für eine Welt, in der es allen Menschen gut geht!

Zusammen handeln!

Auch wenn Berlin sich gern als tolerante, bunte und weltoffene Stadt präsentiert, gibt es hier rechte Läden, Kneipen und Geschäfte, die Neofaschist*innen den nötigen Raum bieten, um sich zu vernetzen. Die Schließung dieser Treffpunkte oder der Rauswurf aus dem Hinterzimmer der Eckkneipe schränkt die Rechten in ihrem Handeln ein. Genau an diesen Orten generiert die AfD neue Mitglieder, entwickelt neue Strategien, organisiert rechte Veranstaltungen und Vorträge und kann sich dabei auch noch in einem Gefühl wiegen, in der »Mitte der Gesellschaft« angekommen zu sein. Häufig sind die angemieteten Räume nämlich in Lokalen, Gasthäusern, Restaurants oder Hotels beheimatet. So wird es zur Normalität für die ebenfalls anwesenden Gäste, dass sich eine neofaschistische Partei mitten unter ihnen versammelt und organisiert. Bei vielen Gästen kann zudem der Eindruck verstärkt werden, es handle sich um eine ganz normale Partei, da die Rassist*innen sich oberflächlich freundlich und normal geben. Bei vielen Menschen ist leider immer noch die Verknüpfung des Begriffs »rechts« mit dem Bild des kahlgeschorenen Neonazis in die Vorstellung eingebrannt.

Es liegt also an uns. Auch wenn es den Anschein haben mag, dass wir als einzelne Personen nicht viel am bundesweiten Rechtsruck ändern können, so ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass wir die Dinge in unserer unmittelbaren Nachbarschaft durchaus verändern können. Hier haben wir die Wahl zu entscheiden, ob wir eingreifen oder wegschauen. Darum ruft das Bündnis »Nationalismus ist keine Alternative!« unter dem Motto »Kein Raum der AfD!« eine berlinweite Kampagne gegen die Räumlichkeiten und Treffpunkte der AfD, sowie anderer (neu-) rechter Strukturen, ins Leben. Mit einer gemeinsamen Demonstration am 1. April werden wir den Betreiber*innen der rechten Treffpunkte zeigen, was wir von ihnen halten und gleichzeitig Menschen darüber informieren und aufklären, warum in Zukunft ein weiter Bogen um die entsprechenden Lokalitäten gemacht werden sollte. Lasst uns ein Zeichen für ein solidarisches Miteinander und einen offenen Kiez setzen und den Rassist*innen und Faschist*innen klar machen, dass in Weißensee kein Platz für sie ist.

AfD raus aus dem »Zum Nudelholz«!
»Heinersdorfer Krug«, »Tønsberg« & Kanzlei Nahrath dicht machen!
Nationalismus ist keine Alternative!

Antifaschistische Demonstration:
1. April 2017 | 15.00 Uhr | Antonplatz Weißensee

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